TSNRecht01-1998
Tauschringe und ihre angeblichen rechtlichen Unsicherheiten!
Am 5. März 1998 fand in der Thomas Morus Akademie in Köln eine Studienkonferenz mit dem Titel „Tauschringe – eine neue Form der Alternativwirtschaft?“ statt Ich bin Carola Ehmke vom Tauschring Fehmarn sehr dankbar dafür, daß sie mir diese Einladung zukommen ließ, sonst hätte ich nichts davon erfahren!
Als Referenten waren eingeladen Prof. Dr. R. Geitmann, Fachbereich öffentliches Recht und Kommunalpolitik an FH Kehl, Ariane Dettloff vom TR TalentSkulptur Köln, Martin Baatzsch vom TR DöMak Halle, Ministerialdirigent Gerhard Jochum, Steuerreferat des Bundesministeriuns der Finanzen aus Bonn und Dr. Karl Birkhölzer, Interdisziplinäre Forschungsgruppe Lokale Ökonomie der Technischen Uni Berlin.
Mein besonderes Interesse galt dem Vortrag des Ministerialdirigenten Herrn Jochum. Nur aus diesem Grunde nahm ich an dieser Studienkonferenz teil In den letzten Jahren ist die Tauschringwelt, aber auch die Seniorengenossenschaften, immer wieder durch fragwürdige Berichte über die nicht geregelte gesetzliche Situation verunsichert worden. Auch die verschiedenen Anfragen, sei es von Bündnis 90/Die Grünen oder von der Firma Paysys in Frankfurt, brachte keine große Beruhigung in unsere kleine Welt. Schreibt doch die Zeitschrift „Naturkost“ im Internet bis zum heutigen Tage folgende Überschrift “ Bundesregierung bedroht Tauschringe“! Es wird dann weiter formuliert „Wenn die Bundesregierung von ihren Besteuerungs – Vorstellungen nicht abrückt, droht den Tauschringen die Zerschlagung durch die Finanzämter“. Schlimmer kann man die Antwort der Bundesregierung und die reale Situation nicht beschreiben und tendenziell schlimmer kann man auch keine Panikmache betreiben. Nichts berechtigt zu dieser Aussage und Annahme, aber sie wird ohne Korrektur und Richtigstellung in die Welt gesetzt und gedruckt. Seit langem wehre ich mich gegen diese Panikmache, seit langem trete ich solchen Äußerungen entgegen. Deshalb war das Referat zum Thema Steuern in Köln für mich von besonderem Interesse. Ich halte nicht viel von fragwürdiger Information und Interpretation.
Besonders erfreute mich als Herr Jochum sein Referat eröffnete, mit der Erklärung warum er zu dieser Studienkonferenz „ausgeguckt“ worden war. Er erklärte nämlich, daß aus seiner Feder auch die Antwort der Bundesregierung zum Thema Tauschring und Steuern stamme. Eine bessere Informationsquelle kann man nicht bekommen! Er erklärte zudem, daß nachdem er eingeladen wurde, er auch noch recherchiert hat ob es bisher überhaupt einen jemals dokumentierten Konfliktfall Tauschring/Finanzamt gegeben hat und kam zu dem Ergebnis, daß es noch keinen solchen Problemfall gibt. Weiter formulierte er, ich zitiere,: „Im Prinzip ist alles steuerpflichtig was in TR vorkomt. Wenig von den TR·Lelstungen wird tatsächlich steuerpflichtig sein, und wenn ich die Lebenswirkllchkeit richtig elnschätze, wird nur sehr, sehr wenig von den Finanzämtern ermlltelt und erfasst werden können und damit zu einer tatsächlichen Steuerbelastung führen. „.
Diese Aussage hört sich ganz anders an als die vielen Interpretationen selbst-berufener „Fachleute“. Zu dieser Aussage kommt noch ein weiterer, viel wichtigerer ‚ Aspekt. In der darauffolgenden Diskussion mit den Teilnehmerinnen kristallisierte sich heraus, daß Herrn Jochum nicht bewußt war, daß TR sich in der Regel nicht an die Wertfestsetzungen der normalen Wirtschaft orientieren, und die Frage drehte sich um den Punkt „Welche Bewertung ist für die steuerrechtliche Festsetzung anzunehmen, die der Tauschringbewertung einer Leistung oder die der normalen Wirtschaft?“ Und hier ist eine ganz wichtige zentrale Frage eindeutig beantwortet worden. Es ist die Wertfestsetzung zu besteuern, die der jeweilige Tauschring vornimmt (TR·Teilnehmer sind die ‚Referenzpersonen‘ für die fiskalische „ortsübliche“ Wertfestsetzung, ungeachtet dessen welche Wertfestsetzungen in der normalen Wirtschaft stattfinden. Dies gilt auch wenn ein Gewerbebetrieb teilnimmt. Wenn ein Gewerbebetrieb diese niedrigeren Preise, nach anderer Wertfestsetzung im Tauschring, den TR-Teilnehmerlnnen anbietet, hat auch nur dieser Wert seine Gültigkeit für die Besteuerungsgrundlage! Wir haben verschiedene Beispiele mit Herrn Jochum diskutiert, um die Aussage richtig einschät-zen zu können. Am deutlichsten kann man dies mit folgendem Beispiel klar machen: Wenn der Biobauer Anton seine Bio-Eier auf dem freien Markt für 0,60 DM verkauft hat er diesen Umsatz auch zu versteuern. Wenn der gleiche Biobauer Anton aber seine Bio-Eier im TR für 0,03 DM anbietet wird dieser Wert (0,03 DM) zur Steuerpflicht herangezogen! Eine noch deutlichere und klarere Aussage ist meiner Meinung nach nicht zu machen. Wenn diese Aussage von Herrn Ministerialdirigenten Jochum aus dem Bundesministerium der Finanzen Bestand hat, dann dürfte im Prinzip ein für alle mal diese leidige Diskussion beendet sein; alle negativen Panikmacher haben ihren Zündstoff zum Schüren von Unsicherheiten und Ängste in der Tauschringwelt und außerhalb verloren! Anhand dieser Aussage sollte jeder TR sich nun nochmals die Bewertungen seiner Leistungen anschauen und überprüfen, da diese Aussage auch einen direkten Bezug zu den Einkommen der Sozialhilfeleistungen und der Arbeitsloseneinkommen hat. Dort sind diese Bewertungen auch anzusetzen. Dies bedeutet aber auch, daß alle TR die freie Preise aushandeln oder die Stunde mit ähnlichen Beträgen wie 20 Talente festsetzen, den eigenen Mitgliedern keinen sehr guten Dienst erweisen. Es besteht keine Schwierigkeit den Talente-Wert an die DM zu binden wenn die Bewertung der Leistungen nach neuen Kriterien vorgenommen wird. Zu diesem Zweck verweise ich auf mein Indikatoren-Modell (Seite 34 ), das wir zur Zeit im Osnabrücker Zeit-Tauschring einführen. Dieses Modell ist selbstverständlich noch nicht fertig durchdacht, so etwas braucht Zeit. Aber der Ansatz macht deutlich um was es dabei geht Veränderte Werte innerhalb unserer Gesellschaft bedingen auch veränderte Wertfestsetzungen.
Ich werden in den nächsten Tagen Herrn Jochun anschreiben und unser neues „Indikatoren-Modell„ vorstellen und im Zusammenhang mit seiner Aussage am 5.3.98 in Köln prüfen lassen unter der Fragestellung ob die Wertfestsetzung im Osnabrücker Zeit-Tauschring grundsätzlich richtig und nach gesetzlichen Regelung erfolgt. Das bedeutet der Osnabrücker Zeit-Tauschring setzt das Verhältnis Talent/DM im Wert 1: 1 fest, wobei die DM im Gegensatz zum Talent abgewertet wird im Verhältnis 5: 1 nach dem „Indikatoren-Model“. Dies würde bedeuten im TR ist jede DM nur 0,20 DM wert Nach Eintreffen der Antwort wird diese natürlich in der nächsten Ausgabe der Tauschring· Zeitung veröffentlicht.
Klaus Kleffmann
TSNRecht01-1998